Rechtsvorschriften / Verfügungen
blueball.gif (104 Byte) Gesetz über Berufsschulen
vom 19. Juli 1990

Gesetz über Berufsschulen
vom 19. Juli 1990

Die Volkskammer beschließt folgendes Gesetz:

 

§1
Grundsätze

(1) Dieses Gesetz regelt die Aufgaben, die Errichtung und die Finanzierung von Berufsschulen bis zum Erlaß von Schulgesetzen durch die Länder.

(2) Berufsschulen sind öffentliche Schulen. Die Träger der Berufsschulen sind die Kreise und die kreisfreien Städte. Die Berufsschule arbeitet mit den Unternehmen, den Organisationen der Wirtschaft und anderen Vertretungskörperschaften vertrauensvoll zusammen.

 

§2
Aufgaben der Berufsschule

(1) Die Berufsschule hat die Aufgabe, den zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation im Sinne des § 1 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes erforderlichen berufsbildenden Unterricht zu erteilen sowie die allgemeine Bildung zu vertiefen und zu erweitern.

(2) Die Berufsschule vermittelt die für den Ausbildungsberuf erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse und ergänzt die fachpraktischen Kenntnisse und Fertigkeiten (Berufsschulunterricht).

(3) Für Berufsschulpflichtige ohne Berufsausbildungsverhältnis vermittelt die Berufsschule allgemeinbildende und berufsbildende Kenntnisse und Fertigkeiten.

(4) Die Aufgaben gemäß Absätzen 1 bis 3 sind auch für Behinderte an mindestens einer Berufsschule durch den Träger zu gewährleisten.

 

§3
Berufsschulpflicht

(1) Wer in einem Berufsausbildungsverhältnis steht, ist berufsschulpflichtig. Die Berufsschulpflicht ist an der für den Ausbildungsort örtlich und fachlich zuständigen Berufsschule zu erfüllen.

(2) Wer sich nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis bzw. Arbeitsverhältnis befindet oder keine andere Schule besucht, ist nach Verlassen der zehnklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule ein Jahr berufsschulpflichtig.

 

§4
Lehrpersonal

(1) Berufsschulunterricht wird durch Lehrkräfte erteilt, die die dafür erforderliche fachliche und pädagogische Qualifikation erlangt haben.

(2) Andere Personen können unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und Berufserfahrung für begrenzte Zwecke und/oder vorübergehend zur Unterrichtserteilung durch den Träger eingesetzt werden.

 

§5
Organisation des Unterrichts

(1) Der Unterricht wird in aufsteigenden Jahrgangsklassen für Auszubildende eines Ausbildungsberufs oder mehrerer verwandter Ausbildungsberufe erteilt. Er wird entweder an einzelnen Unterrichtstagen oder als Blockunterricht erteilt. Der Unterricht kann im ersten Ausbildungsjahr auch als Vollzeitunterricht erteilt werden (Berufsgrundbildungsjahr).

(2) Für Berufsschulpflichtige ohne Berufsausbildungsverhältnis ist der Unterricht auch in Vollzeitform anzubieten.

(3) Die zuständige oberste Behörde wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Regelungen über den Unterricht in Vollzeitform nach § 5 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 zu treffen.

 

§6
Grundlagen des Unterrichts

(1) Der Unterricht für Auszubildende in anerkannten Ausbildungsberufen (im Sinne des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung) erfolgt nach den von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland beschlossenen Rahmenlehrplänen. Diese Rahmenlehrpläne können durch die Länder der DDR ergänzt werden. Bestehen solche Rahmenlehrpläne nicht, bestimmt die zuständige oberste Behörde die Unterrichtsinhalte.

(2) Der Unterricht und die Prüfungen für Auszubildende in Facharbeiterberufen entsprechend der Systematik der Facharbeiterberufe der DDR erfolgt nach den dafür geltenden Ausbildungsunterlagen und Prüfungsbestimmungen.

(3) Der allgemeinbildende Unterricht erfolgt nach den von der zuständigen obersten Behörde erlassenen Regelungen. Allgemein- und berufsbildende Lerninhalte sind zu verbinden.

(4) Die zuständige oberste Behörde erläßt Regelungen über die Stundentafeln und die Erteilung von Zeugnissen.

(5) Eine gesonderte Schulabschlußprüfung neben der Facharbeiterprüfung findet nicht statt.

 

Errichtung von Berufsschulen

§7

(1) Die Träger sind verpflichtet, Berufsschulen zum 1. September 1990 zu errichten. Sie tragen die Verantwortung für die Organisation und Verwaltung der Berufsschulen. Mehrere Träger können gemeinsam Berufsschulen errichten.

(2) Staatsunternehmen können nach Zustimmung des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft Träger von Berufsschulen sein.

(3) Der Träger ist verpflichtet, für die Auszubildenden des Einzugsbereiches den Unterricht im erforderlichen Umfang sicherzustellen. Reicht die Anzahl der Auszubildenden nicht aus, eine Fachklassenbeschulung sicherzustellen, sind Fachklassen von Auszubildenden mehrerer Einzugsbereiche zu bilden. Dazu stimmen sich benachbarte Träger ab.

(4) Die zuständige oberste Behörde kann überregionale Fachklassen bilden und sie bestimmten Trägern zuordnen.

(5) Die Errichtung von Berufsschulen in Ausnahmefällen durch Unternehmen (Ersatzschulen) bedarf der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Die Träger sind gehalten, dies bei der Errichtung von Berufsschulen zu berücksichtigen.

 

§8

(1) Die Betriebsberufsschulen und kommunalen Berufsschulen sind zum 31. August 1990 aufgelöst. Die Betriebsschulen sind ab 1. September 1990 für den theoretischen Unterricht der Lehrlinge nicht mehr zuständig. Ausnahmen von Satz 1 und Satz 2 regelt § 7 Abs. 2. Die Ausbildungs- und Kooperationsverträge bleiben hinsichtlich der praktischen Berufsausbildung unberührt.

(2) Grund und Boden sowie Gebäude (die bisher für den theoretischen Unterricht der Lehrlinge genutzt wurden) und das dazugehörige Inventar der Betriebsberufsschule, Betriebsschule und kommunalen Berufsschule gehen mit Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Rechtsträgerschaft des örtlich zuständigen Trägers der Berufsschule kostenlos über.1) Ist eine Aussonderung aus der Wirtschaftseinheit des bisherigen Trägers räumlich nicht möglich, sind dem Träger der Berufsschule die bisher für den theoretischen Unterricht der Lehrlinge genutzten Einrichtungen zur Nutzung gegen Erstattung anteiliger Betriebskosten zur Verfügung zu stellen.

(3) Die Lehrlingswohnheime sind dem Träger spätestens bis zum 31. Dezember 1990 kostenlos zur Nutzung zu übergeben. Lehrlingswohnheime, die als solche nicht weiter genutzt werden, können von den Trägem einer anderen öffentlichen Nutzung zugeführt werden. Wohnrechte der Lehrlinge bleiben erhalten.

(4) Der theoretischen Berufsausbildung dienende Einrichtungen, einschließlich Lehrlingswohnheime sowie der dazugehörige Grund und Boden, gehören nicht zur Konkursmasse und gehen im Falle des Konkurses in die Rechtsträgerschaft des örtlich zuständigen Trägers über.

(5) Die Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte für den Berufsschulunterricht der Lehrlinge und der Erzieher an übernommenen Einrichtungen regeln sich nach § 59a AGB.2)

 

§9
Kostenträgerschaft

(1) Beim Betrieb und der Unterhaltung von Berufsschulen werden die Träger vom Staat unterstützt.

(2) Der Staat trägt die Kosten des Lehrpersonals.

(3) Bis zur Regelung durch Ländergesetze trägt der Staat auch die übrigen Kosten, insbesondere die für den ordnungsgemäßen Schulbetrieb und den erforderlichen Sachaufwand sowie den Aufwand für das sonstige Personal.

(4) Schulgeld wird nicht erhoben.

 

§10
Aufsicht über die Berufsschulen

Die Aufsicht über die Berufsschulen hat der Staat.3)

 

§11
Berufsausbildung mit erweitertem allgemeinbildenden Unterricht

(1) Der Träger gewährleistet an mindestens einer Berufsschule den erweiterten allgemeinbildenden Unterricht für die Jugendlichen, die einen Lehrvertrag über eine Berufsausbildung mit Abitur mit Betrieben des Einzugsbereiches abgeschlossen haben.

(2) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes abgeschlossene Lehrverträge über eine Berufsausbildung mit Abitur werden nach den neuen Vorschriften zu Ende geführt, es sei denn, daß die Durchführung nach den neuen Vorschriften nicht möglich ist oder der Lehrling eine Fortsetzung nach den bisherigen Vorschriften ausdrücklich wünscht.

 

§12
Koordinierungsausschuß für Berufsbildung

(1) Beim Ministerium für Bildung und Wissenschaft wird ein Koordinierungsausschuß für Berufsbildung gebildet. Er hat die Aufgabe, die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vorrangig in Fragen der schulischen Berufsausbildung im Prozeß der Übernahme der Verantwortung durch die künftigen Länderregierungen zu beraten.

(2) Der Ausschuß setzt sich aus je einem Beauftragten der Bezirke/der Länder, aus Vertretern des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft sowie einem Beauftragten der Arbeitgeber und einem Beauftragten der Arbeitnehmer zusammen.

 

§13
Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes treten außer Kraft:

  1. Anordnung vom 14. März 1974 über die Einrichtungen der Berufsbildung (GBl. l Nr. 18 S. 177),
  2. Direktive vom 14. März 1974 über Bezeichnungen und Strukturen der Einrichtungen der Berufsbildung (Verfügungen und Mitteilungen des Staatssekretariats für Berufsbildung Nr. 5 S. 52),
  3. Anordnung vom 15. April 1986 über die Kooperation der Betriebe auf dem Gebiet der Berufsbildung und die Entwicklung des Netzes der Einrichtungen der Berufsbildung (GBl. l Nr. 18 S. 276),
  4. Anweisung vom 3. Juli 1978 zum allgemeinen Unterricht für berufsschulpflichtige Jugendliche, die keinen Lehrvertrag abgeschlossen haben (Verfügungen und Mitteilungen des Staatssekretariats für Berufsbildung Nr. 8 S. 65).

(3) Darüber hinaus sind alle Vorschriften und Bestimmungen, die diesem Gesetz widersprechen, nicht mehr anzuwenden.

 

1) Vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 17. Juni 1990 zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) (GBl. l Nr. 33 S. 300).

2) Zur Zeit gilt Arbeitsgesetzbuch der DDR i. d. F. des Gesetzes vom 22. Juni 1990 zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches der DDR (GBI.INr.35S.371).

3) Zur Zeit gilt die Verordnung vom 30. Mai 1990 über die Bildung von vorläufigen Schulaufsichtsbehörden (GBl. l Nr. 32 S. 296).

  

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